Das Leipziger Trugbild: Wie das Bundesverwaltungsgericht den Rundfunkbeitrag immunisiert

Ein Kommentar von Ass. iur. Marcus Seyfarth, LL.M. Wer die heutige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rundfunkbeitrag ( BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2025 - 6 C 5.24 ) mit dem gebotenen juristischen Scharfsinn analysiert, wird Zeuge eines Lehrstücks über die Diskrepanz zwischen formellem Recht und materieller Gerechtigkeit. Auf den ersten Blick scheint das Urteil einen lange überfälligen Sieg für den mündigen Bürger darzustellen, einen Paukenschlag gegen die administrative Bequemlichkeit, mit der die Beitragspflicht bisher durchgesetzt wurde. Das Gericht bestätigt in aller Deutlichkeit, was das Bundesverfassungsgericht bereits vorgezeichnet hat: Die Legitimität des Beitrags speist sich nicht aus der bloßen technischen Möglichkeit des Empfangs, sondern aus dem qualitativen Wert der angebotenen Gegenleistung – einem Programm, das den verfassungsrechtlich verankerten Geboten von Vielfalt und Ausgewogenheit genügt. Doch dieser scheinbare Triumph des Rechtsstaats entpuppt sich ...

Lüritz-Parchwigslust-Test (LPT) - Fall 1 - Die Überwachungskameras von Lüritz - Antwort 3

Zur Erinnerung: Wir haben Gemini-Exp-1206, eine führende Version von Googles KI-Modellen, am 06.01.2025 auf die juristische Probe gestellt. Über die KI-Plattform lmarena.ai ließen wir das KI-Modell mit den Parametern Temperatur 0,7 und Top P 0,7 zur Beantwortung antreten. 

Die Parameter "Temperatur" und "Top P" steuern die Zufälligkeit und Vorhersehbarkeit bei der Textgenerierung. Die Temperatur, hier auf 0,7 eingestellt, fungiert als Kreativitätsregler: Höhere Werte fördern ungewöhnlichere Wortwahlen, niedrigere Werte führen zu konservativeren Ergebnissen. Ein Wert von 0,7 bietet einen Mittelweg zwischen Kreativität und Vorhersehbarkeit. Top P, ebenfalls auf 0,7 gesetzt, wirkt als Fokusregler und bestimmt den Anteil der wahrscheinlichsten Wörter, die das Modell berücksichtigt. Hier werden nur jene Wörter in Betracht gezogen, die zusammen 70% der Wahrscheinlichkeitsmasse ausmachen. Zusammen ermöglichen diese Einstellungen eine ausgewogene Antwortqualität, die sowohl Kreativität als auch Kohärenz gewährleistet.

Das KI-Modell wurde zunächst mit dem Sachverhalt konfrontiert und durfte jede Frage einzelnd bis zur maximalen Output-Token-Grenze von 4096 seine Antwort ausformulieren. So wollten wir herausfinden, wie weit die KI im juristischen Diskurs gehen kann. Denn je mehr Output Token zur Verfügung stehen, umso detaillierter fallen die Antworten aus. Beurteilen Sie selbst, wie gut sie das Ergebnis halten. Die Antwort gilt als Referenzwert für zukünftige Forschungen.

Antwort zu Frage 3 des 1. Falls des LPT (Lüritz-Parchwigslust-Test)

Frage 3: Wie könnte ein Kompromiss aussehen, der sowohl den Sicherheitsbedürfnissen der Bürger als auch ihren Grundrechten Rechnung trägt? Wäre eine anlassbezogene, temporäre Überwachung, z.B. nur während der Nachtstunden am Stadthafen, eine Option?

Antwort:

Ein Kompromiss, der sowohl den Sicherheitsbedürfnissen der Bürger als auch ihren Grundrechten Rechnung trägt, könnte in einer anlassbezogenen, temporären und eng begrenzten Videoüberwachung ohne Gesichtserkennung liegen. Diese Lösung würde die Eingriffsintensität in die Grundrechte der Bürger, insbesondere in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, deutlich reduzieren, während gleichzeitig ein gewisses Maß an Sicherheit gewährleistet bliebe. Ein solcher Kompromiss könnte die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen und gleichzeitig den rechtlichen Anforderungen eher gerecht werden als eine flächendeckende und permanente Überwachung mit Gesichtserkennung.

Mögliche Ausgestaltung eines Kompromisses:

1.  Anlassbezogene Überwachung:

  * Die Videoüberwachung sollte nicht flächendeckend und permanent stattfinden, sondern nur bei konkreten Anlässen aktiviert werden.

  * Solche Anlässe könnten z.B. sein:

    * Signifikante Häufung von Straftaten: Wenn in einem bestimmten Bereich und Zeitraum eine signifikante Zunahme von Straftaten, wie z.B. Fahrraddiebstählen oder Sachbeschädigungen, festgestellt wird, könnte dies die vorübergehende Videoüberwachung dieses Bereichs rechtfertigen.

    * Großveranstaltungen: Bei Großveranstaltungen wie Stadtfesten, Konzerten oder Demonstrationen, bei denen mit einem erhöhten Personenaufkommen und einem potenziell höheren Sicherheitsrisiko zu rechnen ist, könnte eine temporäre Videoüberwachung in Betracht gezogen werden.

    * Konkrete Hinweise: Wenn der Polizei konkrete Hinweise auf bevorstehende Straftaten oder eine akute Gefährdungslage vorliegen, könnte dies die anlassbezogene Videoüberwachung des betroffenen Bereichs rechtfertigen.

2.  Temporäre Überwachung:

  * Die Überwachung sollte zeitlich eng begrenzt sein, z.B. auf die Nachtstunden am Stadthafen, wenn die meisten Ruhestörungen stattfinden, oder auf die Dauer einer Großveranstaltung.

  * Eine permanente Überwachung "rund um die Uhr" wäre nur in absoluten Ausnahmefällen und bei Vorliegen einer akuten und erheblichen Gefahrenlage zulässig, die auf andere Weise nicht abgewehrt werden kann.

  * Die zeitliche Begrenzung muss im Vorfeld klar definiert und dokumentiert werden.

3.  Räumliche Begrenzung:

  * Die Überwachung sollte sich auf die tatsächlichen Brennpunkte beschränken, an denen die relevanten Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten gehäuft auftreten. Im vorliegenden Fall könnten dies z.B. der Stadthafen und der angrenzende Bereich des Nationalparks sein, in dem die Fahrraddiebstähle und Ruhestörungen stattfinden.

  * Eine flächendeckende Überwachung des gesamten Landkreises wäre in jedem Fall unverhältnismäßig und rechtswidrig.

4.  Verzicht auf Gesichtserkennung:

  * Der Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie sollte in jedem Fall ausgeschlossen werden. Diese Technologie ist mit erheblichen Grundrechtseingriffen und den in den vorherigen Antworten dargelegten datenschutzrechtlichen Bedenken verbunden.

  * Eine "normale" Videoüberwachung ohne biometrische Identifizierung ist deutlich weniger eingriffsintensiv und stellt einen verhältnismäßigeren Ausgleich zwischen den Sicherheitsinteressen und den Grundrechten der Bürger dar.

5.  Transparente Information:

  * Die Bürger müssen transparent und umfassend über die Videoüberwachung und ihre Rechte informiert werden. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz und Rechtmäßigkeit der Überwachungsmaßnahme.

  * Die Information kann z.B. durch gut sichtbare Hinweisschilder im überwachten Bereich erfolgen, die auf die Videoüberwachung aufmerksam machen.

  * Zusätzlich sollten detaillierte Informationen auf der Website des Landkreises und in anderen geeigneten Medien veröffentlicht werden, die Auskunft über den Zweck, die Rechtsgrundlage, die Dauer, den Umfang und die verantwortliche Stelle der Datenverarbeitung geben (siehe auch Antwort zu Frage 5).

6.  Regelmäßige Evaluierung:

  * Die Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit der Überwachung muss regelmäßig evaluiert werden, um sicherzustellen, dass sie weiterhin notwendig und angemessen ist.

  * Dabei sind sowohl die Auswirkungen auf die Kriminalitätsrate als auch die Beeinträchtigungen der Grundrechte der Bürger zu berücksichtigen.

  * Die Evaluierungsergebnisse sollten öffentlich zugänglich gemacht werden, um eine transparente und demokratische Kontrolle der Überwachungsmaßnahme zu ermöglichen.

Rechtliche Zulässigkeit einer anlassbezogenen, temporären Überwachung:

Eine solche anlassbezogene, temporäre Überwachung könnte nach dem SOG M-V zulässig sein, wenn die in § 28 Abs. 2 SOG M-V genannten Voraussetzungen erfüllt sind (siehe auch Antwort zu Frage 8). Insbesondere muss eine konkrete Gefahrenlage vorliegen oder es müssen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an dem überwachten Ort auch künftig mit der Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung zu rechnen ist.

§ 28 Abs. 2 SOG M-V erlaubt der Polizei unter bestimmten Voraussetzungen die offene Bild- und Tonaufzeichnung an öffentlich zugänglichen Orten. Hier sind insbesondere die Nummern 2 und 3 relevant:

* Nr. 2: erlaubt die Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen zur Verhütung von Straftaten an Orten, an denen wiederholt Straftaten begangen wurden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist.

* Nr. 3: erlaubt die Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an diesem Ort und dessen unmittelbarer Umgebung zukünftig mit der Begehung solcher Ordnungswidrigkeiten zu rechnen ist.

Ob die Voraussetzungen dieser Normen im Einzelfall erfüllt sind, bedarf einer sorgfältigen Prüfung anhand der konkreten Umstände. Insbesondere die Begriffe der "wiederholten Straftaten", "Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung" und "Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen" sind gerichtlich überprüfbar und unterliegen einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Vorteile eines solchen Kompromisses:

* Geringere Eingriffsintensität: Die Grundrechte der Bürger, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, werden weniger stark beeinträchtigt als bei einer flächendeckenden Überwachung mit Gesichtserkennung.

* Höhere Akzeptanz: Eine anlassbezogene, zeitlich und räumlich begrenzte und transparente Überwachung ohne Gesichtserkennung dürfte auf eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen als die ursprünglich geplante Maßnahme.

* Flexibilität: Die Überwachung kann flexibel an die jeweilige Sicherheitslage angepasst werden, ohne dass eine dauerhafte und flächendeckende Überwachungsinfrastruktur geschaffen werden muss.

* Datenschutzfreundlicher: Der Verzicht auf Gesichtserkennung vermeidet die erheblichen datenschutzrechtlichen Probleme, die mit dieser Technologie verbunden sind, insbesondere die Verarbeitung biometrischer Daten und die Gefahr von "false positives" und Diskriminierung.

* Rechtssicherheit: Eine anlassbezogene, temporäre Überwachung auf Grundlage des SOG M-V ist rechtlich eher haltbar als eine flächendeckende Überwachung mit Gesichtserkennung, die gegen die DSGVO und das BDSG verstößt.

Fazit:

Eine anlassbezogene, temporäre Videoüberwachung ohne Gesichtserkennung kann einen sinnvollen und rechtlich eher vertretbaren Kompromiss zwischen den Sicherheitsbedürfnissen der Bürger und dem Schutz ihrer Grundrechte darstellen. Sie wäre verhältnismäßiger als die ursprünglich geplante flächendeckende Überwachung mit Gesichtserkennung und könnte daher eher mit den Vorgaben des SOG M-V, der DSGVO, des BDSG und der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte in Einklang gebracht werden. Die Umsetzung eines solchen Kompromisses erfordert jedoch eine sorgfältige Planung, eine transparente Kommunikation und eine regelmäßige Evaluierung der Maßnahme. Zudem muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die konkreten Voraussetzungen für eine anlassbezogene Überwachung nach dem SOG M-V erfüllt sind.


Beliebte Posts aus diesem Blog

Verfassungsblog: Ein Forum für Pluralistische Debatten oder Verbreitung von Haltungs-Rechtswissenschaft?

Zur Asyldebatte – Eine Replik an Patrick Heinemann von Marcus Seyfarth

Die Erosion der Gewaltenteilung: Eine verfassungsrechtliche Analyse der Kandidaturen Brosius-Gersdorf und Kaufhold für das Bundesverfassungsgericht