Das Leipziger Trugbild: Wie das Bundesverwaltungsgericht den Rundfunkbeitrag immunisiert

Ein Kommentar von Ass. iur. Marcus Seyfarth, LL.M. Wer die heutige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rundfunkbeitrag ( BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2025 - 6 C 5.24 ) mit dem gebotenen juristischen Scharfsinn analysiert, wird Zeuge eines Lehrstücks über die Diskrepanz zwischen formellem Recht und materieller Gerechtigkeit. Auf den ersten Blick scheint das Urteil einen lange überfälligen Sieg für den mündigen Bürger darzustellen, einen Paukenschlag gegen die administrative Bequemlichkeit, mit der die Beitragspflicht bisher durchgesetzt wurde. Das Gericht bestätigt in aller Deutlichkeit, was das Bundesverfassungsgericht bereits vorgezeichnet hat: Die Legitimität des Beitrags speist sich nicht aus der bloßen technischen Möglichkeit des Empfangs, sondern aus dem qualitativen Wert der angebotenen Gegenleistung – einem Programm, das den verfassungsrechtlich verankerten Geboten von Vielfalt und Ausgewogenheit genügt. Doch dieser scheinbare Triumph des Rechtsstaats entpuppt sich ...

Ist Deutschland auf dem Weg zu einem totalitären Staat?

Die Entwicklungen der letzten Woche, insbesondere die Aussagen von Innenministerin Nancy Faeser (SPD), Familienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) und Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang (CDU), geben berechtigten Anlass zur Sorge, dass Deutschland sich von einem freiheitlichen Rechtsstaat in Richtung eines totalitären Staates bewegt.

„Wir wollen dem Umstand Rechnung tragen, dass Hass im Netz auch unter der Strafbarkeitsgrenze vorkommt. Viele Feinde der Demokratie wissen ganz genau, was auf den Social-Media-Plattformen gerade noch so unter Meinungsfreiheit fällt.“  -- Lisa Paus

 „Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen.“  -- Nancy Faeser

Die Aussagen der Regierungsmitglieder erinnern an die Verfolgung Andersdenkender in der DDR. In der DDR gab es u.a. den Straftatbestand der "staatsfeindlichen Hetze" (§ 106 StGB der DDR) und der "Staatsverleumdung" (§ 220 StGB der DDR), die dazu genutzt wurden, um regimekritische Äußerungen zu unterdrücken.

Diese Paragraphen stellten u.a. unter Strafe, wer sich öffentlich verächtlich über staatliche Funktionäre oder Institutionen äußerte. Bereits ein Witz oder eine herabsetzende Bemerkung über einen ehrenamtlichen Funktionär waren strafbar. Bereits ein als herabwürdigend bewerteter Brief an eine staatliche Dienststelle oder Massenorganisation wurde im maßgeblichen Gesetzeskommentar als vollzogene Staatsverleumdung bezeichnet. Von berechtigter Kritik, so der Gesetzeskommentar weiter, unterscheide sich die Staatsverleumdung „durch den ihr zugrunde liegenden ausdrücklichen Willen, durch verächtlich machende Bemerkungen oder verleumderische Behauptungen herabzuwürdigen.“ Mit diesen Strafrechtsparagraphen konnten jede gegen das System oder seine Vertreter gerichtete Äußerung mit einer  hohen Haftstrafe geahndet werden. 

Die aktuellen Entwicklungen in Deutschland geben damit großen Anlass zur Sorge. Die Regierung scheint sich von den Prinzipien des Rechtsstaates und der Meinungsfreiheit vollends zu verabschieden, indem nun auch Äußerungen unter der Schwelle des Strafrechts mit Repressionen begegnen will. Daneben soll im "Demokratiefördergesetz" eine Förderung linker Gruppierungen verfestigt werden - bislang ohne Klausel mit einem Bekenntnis zur Verfassung (sog. Extremismusklausel). Welch Schelm, wer böses hierzu denkt. 

"Das Bekenntnis zu den Grundwerten der Verfassung ist leider keine Selbstverständlichkeit mehr, auch nicht im bunten Spektrum der politisch Aktiven […]. Also muss die Klausel eine solche Selbstverständlichkeit unter Demokratinnen und Demokraten sein." fordert zu Recht die Kommentatorin des Tagesspiegels. Schließlich muss der Staat, wenn er schon Geld verteilt, sicherstellen, dass dieses nicht am Ende in die Hände von (linken) Extremisten landet.

Es ist wichtig, dass die Zivilgesellschaft sich gegen diese von der Bundesregierung ausgehende totalitäre Entwicklung wehrt und die Einhaltung der Grundrechte einfordert. Ob die Regierung deswegen auch zu Aufmärschen zur Sicherung der Demokratie aufrufen wird, darf aber bezweifelt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2018 im Rahmen der Volksverhetzung übrigens die Anforderungen an die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens verdeutlicht: "Danach ist dem Begriff des öffentlichen Friedens ein eingegrenztes Verständnis zugrunde zu legen. Nicht tragfähig ist ein Verständnis des öffentlichen Friedens, das auf den Schutz vor subjektiver Beunruhigung der Bürger durch die Konfrontation mit provokanten Meinungen und Ideologien zielt. Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Der Schutz vor einer „Vergiftung des geistigen Klimas“ ist ebenso wenig ein Eingriffsgrund wie der Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins durch totalitäre Ideologien oder eine offenkundig falsche Interpretation der Geschichte (BVerfGE 124, 300 <334>). Eine Verharmlosung des Nationalsozialismus als Ideologie oder eine anstößige Geschichtsinterpretation dieser Zeit allein begründen eine Strafbarkeit nicht (vgl. BVerfGE 124, 300 <336>). [...] Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind nicht schon dann überschritten, wenn die anerkannte Geschichtsschreibung oder die Opfer nicht angemessen gewürdigt werden. Vielmehr sind von ihr auch offensichtlich anstößige, abstoßende und bewusst provozierende Äußerungen gedeckt, die wissenschaftlich haltlos sind und das Wertfundament unserer gesellschaftlichen Ordnung zu diffamieren suchen. Der Schutz solcher Äußerungen durch die Meinungsfreiheit besagt damit nicht, dass diese als inhaltlich akzeptabel mit Gleichgültigkeit in der öffentlichen Diskussion aufzunehmen sind. Die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes setzt vielmehr darauf, dass solchen Äußerungen, die für eine demokratische Öffentlichkeit schwer erträglich sein können, grundsätzlich nicht durch Verbote, sondern in der öffentlichen Auseinandersetzung entgegengetreten wird. Die Meinungsfreiheit findet erst dann ihre Grenzen im Strafrecht, wenn die Äußerungen in einen unfriedlichen Charakter umschlagen. Hierfür enthalten die angegriffenen Entscheidungen jedoch keine Feststellungen."

Politiker und Behörden sollten diese Worte des Bundesverfassungsgerichts einmal nachvollziehen und ihre Bedeutung für eine liberale Grundordnung auch erkennen und akzeptieren anstatt mit Reichweitenbeschränkungen und dem Strafrecht sich misslibieger Kritik entledigen zu wollen.

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