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Ein Urteil als Menetekel für den Rechtsstaat - "Wehrhafte Demokratie" als Alibi für staatliche Übergriffe im politischen Meinungswettkampf

Mit seinem  Urteil VGH O 11/24 vom 2. April 2025  hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz die Büchse der Pandora geöffnet. Was auf den ersten Blick wie eine gerichtliche Einzelfallentscheidung über die Zulässigkeit von Politikeräußerungen erscheinen mag, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als ein fundamentaler Angriff auf die Grundprinzipien unseres freiheitlichen Verfassungsstaates. Dieses Urteil billigt nichts weniger als den Einsatz staatlicher Machtmittel und Autorität im politischen Meinungskampf gegen eine Oppositionspartei. Es ist ein Offenbarungseid richterlicher Zurückhaltung und ein fatales Signal, das die ohnehin prekäre Balance zwischen Staatsräson und Parteienwettbewerb weiter zugunsten eines übergriffigen, sich selbst erhaltenden Parteienstaates verschiebt. Die vielbeschworene „wehrhafte Demokratie“ dient hier als fadenscheiniger Vorwand für eine Praxis, die dem Wesen eines neutralen, dem Bürger verpflichteten Staates Hohn spricht. Die Neutralitätspfl...

Von der Notwendigkeit eins Amtsmissbrauchsstraftatbestandes am Beispiel des Cum-Cum- und Cum-Ex-Skandals

I. Einleitung: Erosion des Vertrauens und der Ruf nach justierter Rechenschaft Die Debatte um die Integrität staatlichen Handelns und den Schutz des Bürgers vor dessen Fehlentwicklungen gewinnt an Dringlichkeit. Die Notwendigkeit effektiver strafrechtlicher Instrumente gegen missbräuchliches oder grob pflichtwidriges Handeln von Amtsträgern ist angesichts der in diesen Tagen wieder geführten Debatte um den Cum-Ex- und Cum-Cum-Skandal evident, der dem deutschen Fiskus einen Schaden in zweistelliger Milliardenhöhe zufügte und dessen Aufarbeitung schleppend verläuft, wirft ein grelles Schlaglicht auf potenzielle Systemdefizite und die Frage nach der Verantwortlichkeit – nicht nur der Täter im Finanzsektor, sondern auch staatlicher Akteure. Vor diesem Hintergrund wird der bereits  bei Seylaw vorgestellte Entwurf  eines § 339a StGB (Amtsmissbrauch) erneut zur Diskussion gestellt und unter Einbeziehung der alarmierenden Erkenntnisse aus der Cum-Ex-Aufarbeitung, insbesondere  de...

Missbrauch der Staatsanwaltschaft im politischen Meinungskampf? Staatsanwältin ermittelt gegen AfD-Abgeordnete wegen Kritik an Regenbogenflagge

Einleitung: Wenn der Staat den politischen Diskurs kriminalisiert In einem bemerkenswerten Fall, der fundamentale Fragen zur Meinungsfreiheit im politischen Diskurs und zur Rolle der Staatsanwaltschaft in unserer Demokratie aufwirft, hat die Staatsanwaltschaft Göttingen ein Ermittlungsverfahren gegen die niedersächsische AfD-Landtagsabgeordnete Vanessa Behrendt wegen angeblicher Volksverhetzung eingeleitet, wie  NIUS berichtete . Der Auslöser: Ein kritisches Posting zur Regenbogenflagge auf der Plattform X. Dieser Fall verdient besondere Aufmerksamkeit, da er exemplarisch die zunehmende Bereitschaft staatlicher Organe zeigt, in den politischen Meinungskampf einzugreifen – mit potenziell schwerwiegenden Folgen für den freien Diskurs in unserer Gesellschaft. Der Sachverhalt: Eine politische Äußerung als Straftatbestand? Am 23. Oktober 2024 veröffentlichte die familienpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion im niedersächsischen Landtag, Vanessa Behrendt, einen Beitrag auf der Plattform...

Zur Aufweichung der Schuldenbremse: Ein riskantes Manöver mit weitreichenden Folgen

Die Pläne von Union und SPD, in Sondersitzungen des scheidenden Bundestages weitreichende Grundgesetzänderungen durchzusetzen, werfen nicht nur verfassungsrechtliche, sondern auch demokratiepolitische und finanzpolitische Fragen auf. Mit einem historischen Finanzpaket, das die Schuldenbremse lockern, den Ländern mehr Spielraum für Investitionen geben und ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur schaffen soll, wird ein ambitioniertes Vorhaben verfolgt. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich: Die Eile, mit der dieses Vorhaben verabschiedet werden soll, sowie die inhaltliche Ausgestaltung des Gesetzentwurfs bergen erhebliche Risiken. Verfassungsrechtliche Bedenken: Ein Präzedenzfall mit Langzeitwirkung Zunächst ist die Verpackung der geplanten Grundgesetzänderungen in einen einzigen Gesetzentwurf kritisch zu hinterfragen. Die Abgeordneten stehen vor der Wahl, entweder dem gesamten Paket zuzustimmen oder es komplett abzulehnen. Eine differenzierte Abstimm...

Lüritz-Parchwigslust-Test (LPT) - Fall 11 - Juris-GPT

Wildschweine wüten auf Lüritzer Feldern, und Landrat Dr. Bodo Bärensprung setzt auf eine KI-Lösung: "Juris-GPT" soll eine Allgemeinverfügung zur Wildschweinbekämpfung entwerfen. Doch die Software liefert lyrische Texte mit Fritz-Reuter-Zitaten, Juristischer Sachbearbeiter Dr. Jürgen Schmalstieg zweifelt an der Rechtmäßigkeit, und Datenschutzparanoiker Eckhard Datensicher warnt vor digitalem Chaos. Während Erna Trecker gegen "KI-Gesetze" protestiert und Beigeordneter Rolf Müller die Zukunft in der KI sieht, fragt sich Schmalstieg: Kann eine Maschine mecklenburgisches Recht und plattdeutsche Seele erfassen? Ein Fall zwischen Innovation und Recht als Höhepunkt unserer LLM-Benchmark-Reihe . Sachverhalt 11: Juris-GPT Lüritz steht vor einer neuen Herausforderung: Die Wildschweinpopulation ist explodiert, und die Schäden auf den Feldern der Landwirte verärgern die Bürger. Landrat Dr. Bodo Bärensprung, der nach dem "Bürgerkarten-Debakel" seinen Ruf als pragmatisch...

Lüritz-Parchwigslust-Test (LPT) - Fall 10 - Wahlkampfgetöse 2.0 - Desinformation im Lüritz-Netz

Kommunalwahl in Lüritz: Im "Lüritz-Netz", einem lokalen sozialen Netzwerk, tobt ein erbitterter Wahlkampf – doch neben politischen Programmen grassieren Falschmeldungen, manipulierte Bilder und Desinformation. Die anonyme Gruppe "Lüritz Leaks" greift etablierte Parteien an, Landrat Dr. Bodo Bärensprung sieht sich als Opfer einer Schmutzkampagne, und die überforderten Betreiber des Netzwerks berufen sich auf Meinungsfreiheit. Juristischer Sachbearbeiter Dr. Jürgen Schmalstieg, geplagt von Tinnitus und digitaler Abneigung, muss klären: Wie schützt man die Demokratie vor Desinformation, ohne die Meinungsfreiheit zu gefährden? Ein Fall voller rechtlicher, ethischer und digitaler Fallstricke im Rahmen unseres LLM-Benchmarks – mit einem Hauch mecklenburgischer Skurrilität. Sachverhalt 10: Wahlkampfgetöse 2.0 - Desinformation im Lüritz-Netz Die Ausgangssituation: Der Landkreis Lüritz steht vor der Kommunalwahl. Der Wahlkampf wird nicht nur auf den Straßen und Marktplätzen...

Zur Asyldebatte – Eine Replik an Patrick Heinemann von Marcus Seyfarth

Die Debatte um das Asylrecht in Deutschland ist mehr als eine juristische Auseinandersetzung über die Auslegung von Artikel 16a des Grundgesetzes (GG). Sie ist eine grundsätzliche Auseinandersetzung über das Verhältnis von Recht und Politik, über die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung und über die Frage, wer in unserer Verfassungsordnung befugt ist, grundlegende Wertentscheidungen zu treffen. Das Interview, das Patrick Heinemann, Verwaltungsrechtler und Experte für Rechtsgeschichte ntv.de gegeben hat , bietet Anlass, diese grundsätzlichen Fragen zu beleuchten und seine Argumentation einer kritischen Würdigung durch unseren Chefredakteur Marcus Seyfarth, ebenso Experte im deutschen und europäischen Staats- und Verwaltungsrecht, zu unterziehen.  Dieser Beitrag wird dabei zum Schauplatz eines argumentativen Kräftemessens, in der die einstigen Referendarskollegen Heinemann und Seyfarth ihre unterschiedlichen Ansichten in dieser hochbrisanten Debatte mit aller Schärfe öffentlic...